Was genau ist Kunst?

Von Sascha Pust In unserer heutigen Zeit, die von den Medien regelrecht dominiert wird, scheint das Wort Kunst nur allzu oft manipuliert und sogar missbraucht zu werden. Zwar oder gerade weil es uns allen bewusst ist müssen wir uns immer häufiger die kritische Frage stellen – was ist Kunst wirklich?

Von Sascha Pust, aus dem Englischen übersetzt von Sandro Hoffmann, mit freundlicher Genehmigung von „DanceArchives“

Was genau ist Kunst und wann erkennen wir sie als solche?

In unserer heutigen Zeit, die von den Medien regelrecht dominiert wird, scheint das Wort Kunst nur allzu oft manipuliert und sogar missbraucht zu werden.  Zwar oder gerade weil es uns allen bewusst ist müssen wir uns immer häufiger die kritische Frage stellen – was ist Kunst wirklich?

Aus dem Lateinischen übersetzt bezeichnet Kunst (Lat: Ars) lediglich die Fähigkeit oder das Geschick, etwas herstellen oder darstellen zu können.

Später dann verstand man unter dem Begriff Kunst, die Fähigkeit einer Person, sich durch Kreativität auszudrücken.  Der Zuschauer oder Betrachter brachte seinen Sinn für Ästhetik ein und konnte so die Arbeit des Künstlers wertschätzen. Heutzutage hat Kunst nicht unbedingt etwas mit dem klassischen Bild von Ästhetik zu tun. Vielmehr ist sie häufig Ausdruck einer Provokation und die Ästhetik liegt hier im Auge des Betrachters. Dadurch hat sich die Bedeutung von Kunst wieder verändert oder zumindest weiterentwickelt. Es wird wieder einmal Zeit, sich die Frage zu stellen: Was genau ist Kunst?

Jede Form von Kunst sollte eine Reaktion hervorrufen

Denken wir an Künstler, die uns allen bekannt sind: Claude Monet, den Erfinder des Impressionismus, Pablo Picasso, den Mitbegründer des Kubismus, Salvador Dali, den Surrealisten. Alle drei waren zu ihrer Zeit wahre Revolutionäre und schockten  mit ihren Arbeiten das Publikum. Sie wurden entweder beschimpft oder belächelt, ja sogar ausgelacht. Für diese Menschen waren sie keine Künstler – zumindest nicht zu Beginn ihrer Karrieren.

Und was war mit dem russischen Ballett als es 1909, unter der Leitung  des großen Sergei Diaghilev, das erste Mal in Paris auftrat? Für das Pariser Publikum kam es einer Revolution gleich. Nun spulen Sie die Zeit vor und lassen Sie uns die Arbeit  von Robert Mapplethorpe, dem berühmten Fotografen der 1980ger Jahre, betrachten. Regelmäßig führten seine Ausstellungen zu Tumulten, einmal sogar musste eine Ausstellung geschlossen werden und der Direktor des Museums wurde wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verklagt. Was können wir aus diesen Beispielen lernen? Schock und Unverständnis sind die Schlüsselworte, nicht wahr? Jedoch geht es bei der Kunst nicht um den Schock, der verursacht wird, vielmehr geht es darum, eine Reaktion zu verursachen. Nicht jede Form von Kunst ist schockierend. Sie sollte jedoch immer einen Reaktion hervorrufen, sollte bewegen und zum Nachdenken anregen.

Menschen reagieren auf Kunst sehr unterschiedlich. Der Grad der Akzeptanz von neuen Ideen, Kreationen, Darstellungen und Kreativität ist bei jedem Individuum unterschiedlich. Die einen scheinen allem Neuen gegenüber offen und  zugewandt zu sein, während die anderen eher mit Abneigung und gar Feindseligkeit reagieren, fast, als scheine alles Neue die Grundfesten ihrer Welt zu erschüttern. Zudem gibt es alle Arten von Farbtönen dazwischen. Wie auch immer man es betrachtet oder wie auch immer man reagieren mag, wichtig alleine bleibt die Reaktion an sich; eine körperlich spür- und erlabbare Reaktion in Bezug auf die Arbeit des Künstlers. Freude, Unterhaltung, Liebe, Sprachlosigkeit, Atemlosigkeit, Wut oder Hass…

Kunst ist eine Reflektion und Interpretation des wahren Lebens

Das Leben kann wunderbar oder sonderbar sein, gnadenlos und schwierig oder einfach und voller Leichtigkeit. Häufig tendieren Menschen dazu, negative Erfahrungen oder die Schwierigkeiten, die das Leben mit sich bringt zu ignorieren oder zu verdrängen. Wenn sie dann solche Darstellungen in der Kunst, auf der Bühne, in Filmen oder der Literatur erleben, reagieren sie mit einer starken Abneigung darauf. Aber oftmals sind es genau diese Art von Reaktionen oder Emotionen, die Kunst auslösen muss, um überhaupt als Kunst bezeichnet werden zu können. Außerdem ist das der Grund dafür, warum Kunst  nicht immer dem klassischen Bild von Schönheit und Ästhetik entsprechen muss, sollte oder darf. Tut sie es doch, spricht man häufig von Populärkunst. Dies ist eine Kunstform, die eher dem allgemeinen Verständnis von Schönheit entspricht, meist mit Leichtigkeit in Verbindung gebracht werden kann, jedoch nur selten provoziert, wach rüttelt oder nachhaltig berührt.

Meist ist die Zeit eine gute Messlatte dafür, ob eine Arbeit zur Kunst wird oder von weiteren Generationen nachhaltig dafür gehalten wird. Wenn wir auch nach Jahren, Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten immer noch

  • provoziert sind
  • verändert werden
  • erstaunt sind
  • beeindruckt und beeinflusst werden
  • Zeit und Raum um uns herum vergessen
  • es  nicht vergessen können
  • es immer noch authentisch und einzigartig auf uns wirkt

dann hat man es wahrscheinlich mit Kunst zu tun.

Wirkliche Kunst lässt uns niemals unberührt – unbewegt

Inzwischen wird sich wohl jeder Leser die gleiche Frage stellen – was ist denn nun eigentlich Tanzsport? Ist es tatsächlich Kunst, Populärkunst oder vielleicht doch etwas ganz anderes. Wenn wir uns an die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen Begriffes „Ars“ erinnern, also die Fähigkeit oder das Geschick, etwas her- oder darzustellen, werden die meisten von Ihnen wohl zustimmen -Tanzsport entspricht  dieser Definition von Kunst. Wie aber verhält es sich, wenn wir uns die weiterentwickelte Definition von Kunst betrachten, also Kunst verstehen als einen Akt der Selbstdarstellung, der immer von Kreativität geprägt und bestimmt sein muss, wobei das Publikum oder der Betrachter seinen Sinn für Ästhetik befriedigt sieht und  den Akt des Künstlers wertschätzt?. Auch hier, wenn auch mit ein wenig Zögern, können wir den Tanzsport wiederfinden.

Was passiert jedoch, wenn wir das aktuelle Verständnis  von Kunst auf den Tanzsport anzuwenden versuchen? (Ich beziehe mich hier auf die höchste Form der Kunst und des Tanzsports)

  • fühlen Sie sich provoziert?
  • Verändert es Sie?
  • Bleiben Sie erstaunt zurück?
  • Beeinflusst es Sie oder Ihr weiteres Handeln?
  • Vergessen Sie Zeit und Raum um sich herum?
  • Ist es Ihnen unmöglich, das Gesehene zu vergessen? Wird es ein Teil von Ihnen?
  • Ist es authentisch und einzigartig?
  • Berührt und bewegt es Sie?

Ich schätze, wir alle kennen die Antworten auf diese Fragen. Einer der Gründe, warum wir Tanzsport wahrscheinlich noch nicht als wahre Kunst bezeichnen können ist die Tatsache, dass unsere Tanzform noch sehr jung ist. Einfach gesagt fehlte ihr die Zeit, um sich zu einer Kunst oder Kunstform zu entwickeln. Nehmen wir als Beispiel die Malerei, welche sich über zehntausende von Jahren entwickeln konnte und im Laufe der Zeit zu einer wirklich großartigen Kunstform aufgestiegen ist.

Sogar der Film, als eine der jüngsten Kunstformen, hat dennoch mehr Geschichte, als Turnier- oder Gesellschaftstanz, zumindest der „europäisierte“ Tanz, aus dem heraus unser wunderbarer Sport entstanden ist. Zudem kommt die Tatsache, dass Turniertanz eben eine Sportart ist und als solche auf Turnieren dargeboten und bewertet wird. Um bewerten zu können, müssen die Betrachter, oder in unserem Fall die Wertungsrichter vergleichen und einordnen können. Leider geht dieser Prozess oftmals zulasten von Kreativität und persönlicher Gestaltungsfreiheit.

Was wollen wir?

Ich denke, dass es an der Zeit ist, unsere Entwicklung zu hinterfragen und uns bewusst mit unseren Visionen für die Zukunft zu beschäftigen – ein wenig wie ein Teenager, der an einem Scheideweg steht und sich fragt, wohin die Reise gehen soll (vielleicht gehen wir auch verschiedenen Wege!?).

Sollte sich der ein oder andere dafür entscheiden, den Weg der Kunst einzuschlagen, so wäre es sicherlich keine schlechte Idee, etwas Mut aufzubringen. Mut, Kreativität, Einzigartigkeit und Originalität schwerer zu gewichten. Vielleicht sollte man es sogar mit ein paar Provokationen versuchen, um die bisher gesteckten Grenzen etwas weiter nach außen zu verschieben.

Sicherlich keine einfache Aufgabe oder ein bequemer Weg, aber Meister jeder Kategorie haben sich niemals für den Weg des geringsten Widerstandes entschieden…

Hier noch ein paar links:
Claude Monet http://www.claudemonetgallery.org/
Pablo Picasso http://www.pablopicasso.org/
Salvador Dali http://www.salvadordali.com/
Ballet Russes http://www.vam.ac.uk/content/articles/d/diaghilev-and-the-ballets-russes/
Robert Mapplethorpe http://www.mapplethorpe.org/portfolios/

And just to add a bit of taste and spice: http://www.dv8.co.uk/

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